====== Anmerkungen zu Shannons Schachcomputer ======

Vorbemerkung

Die beiden Artikel [1], [2] von Shannon behandeln das Thema aus genereller, d.h. theoretischer Sicht. In [3] werden dann nur die Programme anderer Autoren besprochen; einen Hinweis auf eigene praktische Versuche gibt es nicht. Es wird allerdings erwähnt, dass die damaligen Schachprogramme notorisch schlecht im Endspiel waren, weil sie nicht die Methode umschalten.

Interessant ist die Abschätzung am Ende von Kapitel 5 in [1], dass etwas 3000 Bits an Daten benötigt werden, um einen akzeptablen (nicht lernenden) Schachcomputer zu erstellen. Damit wären allein 3000 Relais für die eigentlichen Bits ohne Adressierung notwendig, sofern nicht andere Speichermedien verwendet werden. Allein schon hieraus ergibt sich, dass die Maschine kein vollgültiger Schachcomputer sein konnte.

Wie aus anderen Quellen [?] bekannt, behandelt die Maschine nur das einfachste Endspiel und verwendet ca. 150 Relais.
Damit sind zwei Alternativen möglich:

Aufriss der Problemstellung

Das Artefakt mit der Benennung "Schachcomputer" stellt nicht den Anspruch eines vollen Schachcomputers; es ist vermutlich ein Versuch, zunächst eine Lösung für die einfachste Form des Endspiels, nämlich nur König und Turm, zu studieren. Dies muss meiner Ansicht nach so verstanden werden, dass drei Figuren spielen, die beiden Könige und ein Turm, wie auch der Einleitung von [1] erwähnte mechanische Lösung von Torres y Quevedo [4].
Ein weiterer Turm anderer Farbe wird normalerweise als Matt angesehen und macht daher keinen Sinn. Ein weiterer Turm der gleichen Farbe bringt keine signifikante zusätzliche Komplexität und ist daher gleichfalls nicht anzunehmen.

Eine ähnliche Abschätzung wie oben könnte lauten:

Damit ist die zweite Lösung vom Speicherplatz her die bessere, und voraussichtlich auch besser für ein dediziertes Schaltwerk geeignet.

Falls ein Algorithmus verwendet wurde, ist dieser als trivial1 (aber damit noch lange nicht explizit bekannt) anzusehen. Das anzuwendende Verfahren lernt jeder ernsthafte Schachspieler recht schnell, auch wenn Schachbücher durchaus ein ganzes Kapitel diesem Thema widmen, weil viele Prinzipien hier gelehrt werden können. Allerdings erfolgt die Beschreibung praktisch immer an Beispielen; eine explizite Formulierung als Algorithmus ist mir nicht bekannt. Dieser ist auch nicht wirklich primitiv, möchte man ein Matt vermeiden.

Ein genuines Matt ist dabei noch relativ einfach zu vermeiden. Entweder ist der Algorithmus so aufgebaut, dass ein solches Matt gar nicht entstehen kann; oder eine spezielle Diagnoseschaltung erkennt die Gefahr und forciert einen anderen Zug.

Sehr viel schwieriger ist es, eine Stellungswiederholung zu vermeiden: Ist dieselbe Stellung (gleicher Spieler am Zug) zum dritten Mal aufgetreten, kann jeder der beiden Spieler wirksam Matt erklären. Hierzu müssten alle vergangenen Positionen gespeichert werden, mit 18Bit pro Position. Nimmt man an, dass ein Matt in 20 Zügen erzwungen werden kann, ergeben sich damit 360 Bit zusätzlich. Daher ist davon auszugehen, dass hier ein Algorithmus verwendet wurde, der per se keine Stellungswiederholungen erzeugt.

Nach [5] kann Schach in 16 Züngen erzwungen werden; der von Quevedo verwendete einfache Algorithmus jedoch benötigte bis zu 60 Züge und überschritt damit die 50-Zug Regel.

Referenzen

[1]
Claude Shannon: Programming a Computer for Playing Chess. Philosophical Magazine, Ser. 7, Vol. 41 (No. 314, March 1950), pp. 256-275
[2]
Claude Shannon: A chess playing machine. Scientific American, Vol. 182 (No. 2, Febr. 1950), pp. 48-51
[3]
Claude Shannon: Game playing machines. Jornal Franklin Institute, Vol. 260 (1955), pp. 447-453
[4]
Shannon cited Vigneron, H., 1914, Les Automates, La Natura. More references are found in B. Randell, From Analytical Engine to Electronic Digital Computer: The Contributions of Ludgate, Torees and Bush. Annals of the History of Computing, Vol. 4, No. 4, October 1982.
[5]
http://www.schachklub-tempelhof.de/comp/quevedo.php